Es gibt Seminare, auf denen sich deutlich Unterschiede in den verschiedenen Motivationen feststellen lassen, warum die Teilnehmer Budo1 machen. In vielen, vielleicht sogar den meisten Budo-Arten lässt sich nicht erwarten, dass sich diese Techniken einmal in der realen Welt einsetzen lassen. Viele von ihnen gehen von einem Kampf mit einem japanischen Schwert oder ähnlichen Waffen aus. Das ist heute nicht ganz realistisch, und so wie ich die meisten Teilnehmer einschätze, sind sie im allgemeinen auch ganz froh darüber.
Bei vielen Leuten habe ich das Gefühl, dass sie sich in so eine Art “Softie Samurai”-Rolle hineinträumen, wo sie sich eine Weile stark fühlen dürfen, um dann nach drei Stunden wieder in die Couch sinken zu dürfen. Vielen geht es um das Treffen mit Anderen oder um eine sportliche Betätigung, die sehr viel Geist mit einschließt.
Hin und wieder treffe ich auf jemanden, der Budo offenbar als eine Ansammlung von Techniken betrachtet, in der man unentwegt Fehler beseitigt – je mehr, desto besser. Es liegt in der Natur der Sache, dass man nie damit fertig sein wird. Alles lässt sich noch verbessern und auf höhere Ebenen heben. Es kommt immer etwas Neues hinzu. Und zugleich vergisst und verlernt man vieles wieder.
Es gehört ganz sicher zu Budo, dass man lernwillig ist und, wie man so schön sagt, sein Ego an der Tür zum Dojo2 zurück lässt. Allerdings stellt sich hier bei mir die Frage, ob dies wirklich das Ziel ist.
Wenn ich etwa eine Fremdsprache lerne, mache ich es allein dazu, um Vokabeln und Grammatik zu pauken und darin immer besser werden, aber doch nie gut genug zu sein?
Nein. Ganz sicher nicht. Ich will die Sprache benutzen, ich will damit kommunizieren, oder Werke lesen, vielleicht sogar verfassen.
Auf Budo übertragen heißt es, dass ich es anwenden will – nicht im ursprünglichen Sinne, sondern im Miteinander mit anderen Praktizierenden oder auch im Selbststudium. Ich will diese Momente erleben, in denen etwas einfach gut läuft, in denen ich wieder ein Stück begriffen habe (oder begriffen zu haben glaube), so wie man schwierige Rätsel löst und sich selbst überrascht, was man alles mit Fleiß und Ausdauer erreichen kann. Ich freue mich, wenn ich jemandem helfen kann oder wenn jemand mir hilft, und sei es nur dadurch, dass wir uns als Trainingspartner zur Verfügung stellen und unsere eigenen Interessen zurück stellen.
Vielleicht reicht diese Erfahrung sogar in das Leben außerhalb des Dojos hinaus, dass ich mich anders bewege oder den Körper anders wahrnehme, dass ich anders mit Konflikten umgehe oder dass sich Freundschaften entwickeln, die sonst nicht möglich gewesen wären.
In dem Sinne ist das Budo-Studium so pragmatisch wie das Erlernen einer Fremdsprache, wo man schon im Klassenzimmer eine bestimmte Beziehung zum Lehrer und den Mitschülern entwickelt und wo sich allmählich neue Sichtweisen und Welten öffnen und neue Menschen zugänglich gemacht werden.
Das Verbessern der Fehler ist nur eine Bedingung des Lernens und des Arbeitens an sich selbst, um diese Erfahrung immer wieder neu erleben zu können. Wenn es jedoch zum Selbstzweck erhoben wird, dann ist da etwas verloren gegangen.