Pünktlich zum Tag der Menschenrechte gibt es verschiedene Aktionen, zum Beispiel sehr benötigte gegen einen in manchen Gebieten auffällig starken Rassismus. In Europa fühlen sich nur wenige Leute von diesem Begriff angesprochen, in einigen Ländern spricht man lieber von “Ausländerfeindlichkeit”, um die historische Dimension zu vermeiden, oder von “Xenophobie”, was ein wenig danach klingt, als ob die Xenophoben die eigentlichen Opfer wären, schwach und verwundbar, unglücklich phobisiert, schicksalhaft das Fremde fürchtend wie andere vielleicht Spinnen oder enge Räume. Es ist schon oft treffend bemerkt worden, dass sich diese Furcht vor dem Fremden häufig nicht auf Urlaubsreisen, in Fernost produzierte Unterhaltungselektronik oder Popmusik bezieht.
Sicher ist die gegenwärtige Situation und die weltweite Geringschätzung der Menschenrechte nicht zuletzt auch eine Folge dessen, wie mit ihnen im öffentlichen Diskurs umgegangen wird, wozu sie gemacht werden, und nicht zuletzt auch bei uns und von denen, die sich eigentlich, wenn man sie beim Wort nimmt, zu ihnen bekennen. Anfänglich handelt es sich bei ihnen um nicht mehr als um verbale Äußerungen, geboren aus einer realen Betroffenheit, deren Wirklichkeitsbezug aber Tag für Tag aufs neue bestätigt werden muss.
Das UN Information Centre in Prag hat sich in dem Zusammenhang dieses Gedenktages eine fast schon symptomatisch zu nennende Blöße gegeben, indem in einer Sammlung von Porträts für eine symbolische Kampagne, je ein Porträt pro Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, hinter den Kulissen eines herausgenommen wurde, weil dort auf einem T-Shirt “Free Burma” zu lesen war, während andere abgebildete Personen eher “neutral gekleidet” gewesen seien.
Es ist eindeutig, dass es bei diesem Aufdruck um die Forderung geht, dass Menschen von einer Diktatur frei sein sollen – eine Forderung, die wir vermutlich ganz selbstverständlich für uns selbst in Anspruch nehmen, die also nicht etwa von phantastischer Gewagtheit wäre.
Ich wäre nun davon ausgegangen, dass es sich bei der Freiheit von menschenverachtenden Regierunsformen um einen der ureigensten Anwendungsfälle der Menschenrechte handelt, falls es sich nicht bloß um eine Sammlung von wohlklingenden Geboten handeln soll, die, bildlich gesprochen, in eine Ausstellungsvitrine weggesperrt werden, damit an ihnen nicht das Handeln von Machthabern, hier: Regierungen, gemessen wird. Wer zurück rechnet, wird feststellen, dass die Erklärung der Menschenrechte der UNO vor 60 Jahren unter dem Eindruck einer gerade erst losgewordenen Diktatur entstanden ist. Ich nehme an, dass es damals durchaus darum ging, die konkrete Freiheit von Menschen zu fordern, anstatt eine aalglatte Publicity zu starten, die so harmlos ist, dass sich über sie bestimmt keine autoritäre Regierung beschweren wird.
Diese Scheinheiligkeit erinnert ein wenig daran, wenn bestimmte Organisationen Konferenzen und Treffen zur Bekämpfung von Hungersnot veranstalten und im Zuge dessen ein üppiges Buffett anbieten, das von den geladenen hochrangigen Gästen oder Journalisten unmöglich bewältigt werden kann. Auch dies lässt sich zuweilen beobachten und macht den Veranstaltern keine Ehre.